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Kommentar aus Haufe Personal Office Platin
Cesare Vannucchi, Dr. Evelyn Gabrys
Rz. 864
§1 Abs.3 Satz1 KSchG benennt die für die Sozialauswahl relevanten Kriterien: die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltsverpflichtungen sowie ggf. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Über die Gewichtung der Kriterien untereinander gibt das Gesetz hingegen keine Auskunft. Da es an einer besonderen Rangordnung fehlt, ist davon auszugehen, dass die einzelnen Kriterien gleichrangig nebeneinander stehen. Keines von ihnen zählt mehr als ein anderes. Für den Arbeitgeber können hieraus Schwierigkeiten bei der Sozialauswahl erwachsen, denn häufig erscheinen Arbeitnehmer aufgrund unterschiedlicher Kriterien sozial gleich schutzbedürftig. Es stellt sich dann die Frage, welchem Arbeitnehmer vorrangig zu kündigen ist. Die Auswahlentscheidung muss dabei nur vertretbar sein und nicht unbedingt der Entscheidung entsprechen, die das Gericht getroffen hätte. Durch diesen Wertungsspielraum können nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl rügen.[1]
Als Hilfestellung für den Arbeitgeber dienen Punkteschemata, in denen den einzelnen für die Sozialauswahl relevanten Kriterien durch die Verteilung von Punkten ein spezifisches Gewicht verliehen wird. Aber auch wenn mithilfe eines Punkteschemas eine soziale Rangliste erstellt wurde, die als Indikator für das Maß der sozialen Schutzbedürftigkeit der einzelnen Arbeitnehmer dienen kann, hat der Arbeitgeber die Auswahlentscheidung im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abschlussprüfung zu treffen.[2]
Beispiel 1
Die folgenden Punkteschemata waren Gegenstand von Entscheidungen der Gerichte[3]:
Alter | bis 20 Jahre: kein Punkt |
zwischen 20 und 30 Jahren: 1 Punkt/Jahr | |
zwischen 30 und 40 Jahren: 2 Punkte/Jahr | |
zwischen 40 und 50 Jahren: 3 Punkte/Jahr | |
zwischen 50 und 60 Jahren: 5 Punkte/Jahr | |
Betriebszugehörigkeit | 4 Punkte je vollem Jahr der Betriebszugehörigkeit |
Unterhaltspflichten | 5 Punkte je unterhaltsberechtigtem Kind (zu ergänzen: und je unterhaltsberechtigtem Ehegatten) |
Schwerbehinderung | 10 Punkte |
Doppelverdiener | 10 Punkte Abzug[4] |
Beispiel 2[5]
Alter | 1 Punkt für jedes vollendete Lebensjahr (maximal 55 Punkte) |
Betriebszugehörigkeit | 1 Punkt für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit bis zum 10. Jahr, ab dem 11. Jahr 2 Punkte für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit (maximal 70 Punkte) |
Unterhaltspflichten | 4 Punkte je unterhaltsberechtigtem Kind, 8 Punkte je unterhaltsberechtigtem Ehegatten |
Schwerbehinderung | 5 Punkte bei Schwerbehinderung von 50%, bei Schwerbehinderungen über 50% jeweils ein Punkt für jede 10% |
Beispiel 3[6]
Alter | 1 Punkt für jedes vollendete Lebensjahr |
Betriebszugehörigkeit | 2 Punkte für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit |
Unterhaltspflichten | 4 Punkte je Unterhaltsberechtigtem |
Schwerbehinderung | 5 Punkte bei anerkannter Schwerbehinderung |
Beispiel 4[7]
Alter | bis zu 20 Jahren: keine Punkte |
bis zu 30 Jahren: 1 Punkt | |
bis zu 40 Jahren: 3 Punkte | |
bis zu 50 Jahren: 6 Punkte | |
bis zu 57 Jahren: 8 Punkte | |
über 57 Jahre: 10 Punkte | |
Betriebszugehörigkeit | 1 Punkt für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit |
Unterhaltspflichten | 3 Punkte je Ehegatte und 3 Punkte je Kind, das im Orts- oder Sozialzuschlag Berücksichtigung findet |
Beispiel 5[8]
Alter | 1 Punkt für jedes vollendete Lebensjahr |
ab Vollendung des 25. Lebensjahres (maximal 35 Punkte) | |
Betriebszugehörigkeit | 2 Punkte für jedes anerkannte Jahr der Betriebszugehörigkeit (maximal 70 Punkte) |
Unterhaltspflichten | 6 Punkte je unterhaltsberechtigter Person |
Rz. 865
Die Möglichkeit von Punkteschemata ist in §1 Abs.4 KSchG ausdrücklich vorgesehen. Aber auch ohne Vereinbarung auf betrieblicher oder überbetrieblicher Ebene kann der Arbeitgeber für die Sozialauswahl nach §1 Abs.3 KSchG Punkteschemata zur Hilfe nehmen.[9] Das Punkteschema fungiert bei der Sozialauswahl als Auswahlrichtlinie für den Arbeitgeber. Auswahlrichtlinien sind Grundsätze, die zu berücksichtigen sind, wenn bei beabsichtigten personellen Einzelmaßnahmen, für die mehrere Arbeitnehmer oder Bewerber infrage kommen, zu entscheiden ist, welchem gegenüber sie vorgenommen werden sollen. Sinn und Zweck der Auswahlrichtlinien ist es, die jeweilige Personalentscheidung zu versachlichen und für den oder die Betroffenen durchschaubar zu machen. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er und nicht ein anderer von einer Personalmaßnahme betroffen wird.[10] Die Richtlinien sollen den Ermessensspielraum des Arbeitgebers durch die Aufstellung von Entscheidungskriterien einschränken, aber nicht gänzlich beseitigen.[11] Auf das Erfordernis einer abschließenden Einzelfallbetrachtung im Rahmen der endgültigen Auswahlentscheidung wurde bereits hingewiesen (vgl. Rz. 864).
Rz. 866
Ein Punkteschema für die soziale Auswahl ist eine nach §95 Abs.1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber es generell auf alle künftigen betriebsbedingten Kündigungen oder nur auf konkret bevorstehende Kündigungen anwenden will.[12] Verl...
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